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Frühes Konzentrationslager im Volkshaus in Reichenbach/Vogtland

Markt 5
08468 Reichenbach/Vogtl.

Hier befand sich von Anfang März 1933 bis ca. 11. Mai 1933 ein Frühes Konzentrationslager für politische Gegner*innen des Nationalsozialismus. Danach fand eine Verlegung der Häftlinge nach Obermylau statt. Für die „Freiheitsentzugsanstalten“(1) die nach den ersten Verhaftungswellen im März 1933 eingerichtet wurden, kursierten die verschiedensten Bezeichnungen. Diese ließen jedoch kaum Rückschlüsse auf den Charakter des jeweiligen Lagers zu. So verschleierte die Bezeichnung „Durchgangslager“ für Reichenbach im Vogtland, dass die Schutzhäftlinge nicht nur kurzfristig festgehalten wurden. Ein Teil von ihnen blieb während der gesamten Existenz des Lagers dort inhaftiert.

Wie in den meisten Orten des Vogtlandes wurden auch in Reichenbach die ersten Verhaftungen am 9. März 1933 vorgenommen. Zu dieser Zeit war auch das sozialdemokratische Volkshaus in Reichenbach von SA und Stahlhelm besetzt, nach Waffen durchsucht, kurz darauf jedoch wieder freigegeben worden. In der Nacht vom 21. auf den 22. März 1933 besetzte die SS das Volkshaus ein weiteres Mal und verhaftete alle dort Angetroffenen. Auch im anderen Teil der Stadt wurden Verhaftungen vorgenommen. Die Gefangenen kamen in das Volkshaus, das fortan „Durchgangslager Reichenbach“ genannt wurde.

Die Bewachung bestand aus SS-Leuten der Standarte 7. Kommandant des Lagers war Albert Greiner, Sohn eines bankrotten Fabrikanten. Die vordere Gaststube des Volkshauses diente zur Vernehmung der Gefangenen. Dieser Raum lag zu ebener Erde, und die Fenster führten auf den Marktplatz. Da dieser von vielen Einwohnern aufgesucht wurde, konnte nicht verhindert werden, dass es Zeugen der Vorgänge im Volkshaus Reichenbach gab. Viele Einwohner empörten sich und verlangten Abhilfe. Eine Spende der Nationalsozialistischen Frauenschaft von Reichenbach ermöglichte jedoch eine Minderung der Lärmbelästigung: Sie stifteten ein „Abdämpfkissen“. In das gespendete Federkissen wurde das Gesicht des Opfers während der Verhöre und der dazugehörigen Folterung gepresst, um so die Schreie zu ersticken.

Insgesamt waren etwa 1200 Schutzhäftlinge im Durchgangslager Reichenbach inhaftiert. Unter ihnen gab es mindestens ein Todesopfer. Albert Janka, Reichstagsabgeordneter der KPD, wurde Mitte April 1933, wenige Tage vor seinem 26. Geburtstag, von SS- Angehörigen ermordet. Berauscht von der Tat hängten diese ihn anschließend am Kronleuchter des Volkshauses auf. Um die Tat zu verschleiern, ließen sie in der Presse verkünden, dass es sich dabei um Selbstmord handelte. Vater und Bruder des Ermordeten baten den ihn bekannten Friedhofsverwalter von Reichenbach, den Toten noch einmal ansehen zu dürfen:

„Rund um den Hals waren Striemen erkennbar, die das Totenhemd verdeckt hatte. Das rückwärts offene, wie eine Schürze um den Körper gelegte Hemd fiel auseinander. Der Rücken war vom Nacken bis an die Oberschenkel zerschlagen, verkrustet als hätte man die Haut abgezogen. Tiefe, eingebrannte Wunden. Ganze Stücke aus dem muskulösen Körper herausgerissen.“(3)

Trotz des „Abdämpfkissens“ gab es scheinbar immer wieder Beschwerden über den aus dem Volkshaus dringenden Lärm, denn am 11. Mai 1933 wurde das Durchgangslager in eine leer stehende Gießerei in der Grenzer Str. in Reichenbach verlegt. Im Mai 1933 wurden nach einem „Grenzlandtreffen“ zwei Angehörige des Stahlhelmes, die Unternehmer Petzold aus Wolfspütz und Schädlich aus Grünbach, verhaftet und ins Lager gebracht. Zwar misshandelt wie auch die anderen Inhaftierten, hatten sie jedoch die Möglichkeit, einflussreiche Bekannte zu benachrichtigen. Dies war offenbar wirkungsvoll, denn das Lager wurde kurz darauf geschlossen. Ein genaues Datum kann jedoch nicht ausgemacht werden.

Besonderheiten: Heute ist dort die Geschäftsstelle und Redaktion der "Freien Presse" untergebracht sowie eine Physiotherapeutische Praxis und ein Augenarzt.


Quellen/Literatur
Benz, Wolfgang / Distel, Barbara; Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2; S. 191-193

1 Klaus Drobisch/Günther Wieland, System der NS- Konzentrationslager 1933-1939, Berlin 1993, S.31.

2 Die nachfolgenden Ausführungen sind entnommen aus: Otto Meinel, Durchgangslager Reichenbach, in: Konzentrationslager. Ein Appell an das Gewissen der Welt. Ein Buch der Greuel. Die Opfer klagen an, Karlsbad 1934, S.164-169.

3 Walter Janka, Spuren eines Lebens, Berlin 1991, S.29 und 38.

Die Daten stammen, wenn nicht anders angegeben, aus dem von der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen veröffentlichten Buch „NS-Terror und Verfolgung in Sachsen“



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