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Seite: Otto Schmidt, Untersuchungshaft in Plauen

Otto Schmidt,
Untersuchungshaft in Plauen

Hauptstraße 21
01796 Struppen
Hier wohnte 1933 der Schlosser Max Uhlmann, der Landarbeiter Paul Kühnel und der Emaillebrenner Otto Schmidt. Über Max Uhlmann und Paul Kühnel wissen wir lediglich, das sie im Frühjahr 1933 nach der Reichstagswahl in „Schutzhaft“ im KZ Halbestadt genommen wurden, Paul bis zum 22. April 1933, Max bis zum 30. Mai 1933.¹ Über ihr weiteres Schicksal ist uns nichts bekannt.

Der vierfache Familienvater Otto Schmidt schrieb seine Erinnerungen über die Erlebnisse in den ersten NS-Jahren jedoch Anfang 1946 nieder. Seine Erlebnisse können sicherlich exemplarisch für das Schicksal vieler Struppener*innen stehen, von denen wir nur tabellarische Angaben über ihre Haftgeschichte kennen.

Am 10. März 1933, fünf Tage nach der letzten, schon unfreien Reichstagswahl und ebenso kurz nach der Besetzung des Schlosses Kleinstruppen durch den SA-Sturm aus Schwarzenberg, wurde Otto Schmidt in dieses frühe KZ verschleppt:

“Truppweise wurden wir in die SA-Führerschule nach Struppen geschleppt. Für viele Genossen gingen die Mißhandlungen und der Leidensweg los. Geständnisse wurden mit allen Mitteln erpreßt. Am 10.3.1933 wurde ich mit 4 SA-Männern, die alle schwer bewaffnet waren, von meiner Familie, Frau und 4 Kindern, weggeschleppt. …“²

Hier hatte er als Beschäftigter in der Küche eine Sonderstellung, über den Küchenchef berichtet er:

„Ich wurde in der Küche beschäftigt. Abends mußte ich zu den anderen Kameraden, die im Schloß schliefen. Es war zum größten Teil dem Küchenchef zu verdanken, daß die Kameraden überhaupt warmes Essen erhielten, Ausdrücke der SA-Leute waren: 'Die roten Schweine brauchen nichts zu fressen.' Der Küchenchef erklärte ihnen: 'Das sind auch Menschen wie ihr und haben nur für ihre Sache gekämpft.'“²

Nach kurzer Zeit wurde Otto Schmidt ins KZ Halbestadt verlegt, das bereits nach kurzer Zeit für seine äußerst brutalen Haftbedingungen berüchtigt war. Schon bei der Ankunft setzte es für manchen Schläge, für alle aber Provokationen und Demütigungen. Weit über das eigentliche SA-Wachpersonal hinaus wurde dieses KZ abends auch von lokalen SA-Leuten frequentiert, die sich hier zum Feierabend betranken und in Mord- und Prügelorgien ergingen:

“Wenn die Sadisten genug gesoffen hatten, dann holten sie sich einige Kameraden von uns und die gemeinsten und dreckigsten Mißhandlungen gingen los; dann halten die Schreie vom Keller bis auf den Boden, wo ich mit anderen im leeren Wasserbehälter schlief. Als man Gumpert von Heidenau ermordete [gemeint ist Fritz Gumpert aus Heidenau, KPD, RFB, Antifaschistische Aktion, er wurde über Ostern bei Verhören grausam erschlagen, als er sich weigerte Genoss*innen zu verraten, siehe Naturfreundehaus Königstein], kam ein SA-Mann heraus und sagte: 'Der Hund war nicht tot zu kriegen.' … Als man am ersten Osterfeiertag den Genossen Herklotz aus Heidenau angeschleppt brachte, war der Teufel los. Mit Gummiknüppeln, Peitschen, Stiefelabsätzen und allem möglichen, wurden wir früh um 3 Uhr aus unseren Schlafstätten gejagt und mußten in den Hausflur, die meisten halb angezogen, 3 bis 4 Stunden stramm stehen, wer sich rührte oder ohnmächtig wurde, wurde hinausgeschleppt, mit eiskaltem Wasser übergossen und an die frische Luft geschleift. Der Genosse Herklotz wurde erst furchtbar mißhandelt, dann mußte er den ganzen Tag in einer Ecke, das Gesicht gegen die Wand, knien. Hinter ihm stand ein SA-Mann mit der Pistole in der Hand. Sogar seine Notdurft mußte er in dieser Stellung auf demselben Fleck verrichten. Als die Prozedur zu Ende war, wurden wir noch eine Stunde auf dem Exerzierplatz herumgejagt."²

Auch gegen den weiblichen Besuch der Häftlinge wurde bei einer Gelegenheit vorgegangen:

“Für den Nachmittag hatten unsere Frauen Erlaubnis, uns zu besuchen. Als gegen hunderte Frauen am Tore warteten, wurden die Tore aufgerissen und die SA-Meute stürzte sich mit Gummiknüppeln auf die Frauen. Die vom Munde abgedarbten Pakete flogen im Gelände herum. Meine Frau wollten sie in die Elbe werfen.”²

Am 20. Mai 1933 wurde Otto Schmidt dann in das frühe KZ Hohnstein überführt. Auch hier wartete wieder Tortur und Folter auf ihn. Über seine Erlebnisse hier berichtet er u.a.:

“Wenn einer nachts schnarchte, kriegte er den Gummiknüppel übers Gesicht geschlagen, mir selbst ist es so gegangen. Wer nicht in einer Affengeschwindigkeit die Aborttür auf und zu machte, mußte es hundertmal machen, natürlich jedesmal hinein- und hinausgejagt, bis es schnell genug ging. Ein Kamerad las abends einen Brief halblaut einem anderen vor; es stand darin, daß der Magarinenpreis erhöht werde; am anderen Morgen war der Arme verschwunden, nach Wochen sah ich ihn wieder, nicht zu erkennen, das Gesicht mit Blut unterlaufen, um die Augen blaue Ringe. Sie konnten ihren Opfern beim Schlagen nicht in die Augen sehen, deshalb mußten sie so lange in die Augen schlagen, bis sie nicht mehr aufgingen.“²

Am 27. Juli 1933 wurde Otto Schmidt nach über vier Monaten Folter wieder entlassen. Die Verschnaufpause dauerte nur bis zum nächsten Frühjahr. Der GeStaPo-Beamte Preußker aus Dresden, für eine Unzahl von Verhören und Misshandlungen in der Region verantwortlich, ließ ihn Anfang März 1934 nach Dresden bringen. Mit Folter wurde versucht ihm ein Geständnis abzupressen, ihm wurden mehrere Zähne aus dem Mund geschlagen. Schließlich gab er zu, was die GeStaPo hören wollte. Bis er wieder halbwegs genesen war vergingen Wochen. Im Anschluss wurde er in einer Zelle des Landgerichtes am Münchner Platz verlegt, wo er erneut verhört wurde. Danach verbrachte er weitere 11 Monate in Untersuchungshaft in Plauen. Im Transport der Angeklagten nach Plauen waren viele Struppener*innen, hier machten die Repressionsorgane – zum Glück für die Oppositionellen - einen banalen Fehler:

“... nicht einzeln, sondern zusammen in 3.-Klasse-Wagen ging es fort. Daß wir uns da unterwegs noch sehr gut unsere Meinungen ausgetauscht haben, versteht sich von selbst. Bei den Verhandlungen in dem folgenden Hochverratsprozeß machte es sich auch bemerkbar, natürlich war die Wut bei den sogenannten Richtern groß gewesen.”²

Anfang Februar 1935 wurde Otto wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einem Jahr und 8 Monaten unter Anrechnung von 7 Monaten U-Haft verurteilt. Bis zum 9. März 1936 saß er in Leipzig-Kleinmeußdorf ein, dann kam er nach drei Jahren Martyrium frei.²

Ottos Leidensweg zeigt deutlich, mit welchen Mitteln die politische Opposition in den ersten Jahren des NS-Regimes mundtot geprügelt wurde, auch wenn es sich nicht um hohe Funktionär*innen antifaschistischer Organisationen handelte. In der Betrachtung oft unbeachtet blieb dabei in der Geschichtsforschung oft Leid und Not der ganzen Familie. Angehörige politischer Häftlinge verloren meist ihre Arbeitstelle, ebenso wurden ihnen staatliche Unterstützungsleistungen verwehrt. Ihnen blieb die blanke Armut und der Hunger. Verschärft wurde diese Lage durch die soziale Isolation: Wer politisch schon im Visier des NS-Staates befand, machte sich der Konspiration verdächtig, wenn er oder sie solche Familien unterstützte, wer bis jetzt „unvorbelastet“ war, hatte zumindest mit sozialen Konsequenzen bis hin zu öffentlicher Verleumdung zu rechnen. Nicht alle Familien hielten diesen Druck aus.

https://www.gedenkplaetze.info/
Quellen/Literatur

¹ PIR Struppen 121
² Otto Schmidt – Erlebnisse und Namen zu Schutzhaft und Gefängnis, Bericht, 21. Januar 1946, Privatarchiv SRB



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